Vorhang auf und Bühne frei!

Kulturring Lichtenfels vor dem Start in die neue Theatersaison mit neuem Jugendprojekt

 

Sie werden wieder bespielt, die Bretter, die die Welt bedeuten. Nein, nicht nur in den großen Metropolen der Welt, sondern auch bei uns in der Stadthalle. Denn der Kulturring Lichtenfels startet in Zusammenarbeit mit dem Theater Schloß Maßbach am 19. Oktober mit Komödie „Der Vorname“ von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patelliere in die neue Spielzeit. Darüber hinaus gibt es heuer wieder viel Unterhaltsames, literarisch Wertvolles wie Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas“, aber auch Spannendes in der Stadthalle zu sehen.

 

 

Nachdem die Besucherzahlen in den letzten Spielzeiten drastisch gestiegen sind, hoffen die Verantwortlichen des Kulturrings, dass sich dieser überaus erfreuliche Trend trotz der Coronabedenken weiter fortsetzt. Die Stückauswahl jedenfalls nährt diese Hoffnung. Zudem gibt es in dieser Theatersaison eine außergewöhnliche Neuerung. Eine stattliche Anzahl lokaler Firmen hat einen deutlich vierstelligen Geldbetrag zur Verfügung gestellt, damit alle Jugendlichen bis zum 27. Lebensjahr die Theateraufführungen dieser Spielzeit bei freiem Eintritt besuchen können. Unter dem Motto „Theater für die Jugend – kostenlos aber nicht umsonst“ ist es mehr als bemerkenswert, dass es sich örtliche Firmen auf die Fahnen schreiben, das Theater- und Literaturinteresse von Jugendlichen zu fördern und damit einen wichtigen Beitrag zu deren kultureller Entwicklung zu leisten.

 

 

Der Start in die Spielzeit erfolgt am Montag, den 19. Oktober um 19.30 Uhr in der Stadthalle. „Der Vorname“ heißt das Stück von Delaporte und de la Patelliere, das um die Frage kreist: Darf man ein Kind heutzutage noch auf den Namen „Adolf“ taufen?  Dass diese ambivalente Namensfindung nur den Anlass für Diskussionen mit Wortwitz aber auch mit Tiefgang ganz in der Tradition des kritischen französischen Gesellschafstheaters darstellt, ist augenfällig.

 

 

Auf gänzlich neuem cineastischen Terrain bewegt sich der Kulturring, wenn er erstmals eine Filmbetrachtung mit kritischer Würdigung ins Programm aufnimmt. An einem Sonntagvormittag im November (Termin wird noch bekanntgegeben) werden Markus Häggberg und Klaus Fugmann im Kino Lichtenfels den überaus eindrucksvollen Westernklassiker „Spiel mir das Lied vom Tod“ von Sergio Leone analysieren und die Entstehungsgeschichte und ideologischen Hintergründe im passenden Kinoambiente mit bewegten Bildern beleuchten. Sicher eine spannende Neuerung im Lichtenfelser Kulturprogramm … und Popcorn gibt es auch.

 

 

Die Art, in der am 05.12.2022 Axel Hellstenius in seinem Stück „Elling“ über die Wechselfälle des Lebens und den Zustand unserer modernen Welt philosophiert, ist von unbestechlichem Charme, hat Intelligenz, Witz und zeugt von einem scharfsinnigen Durchblick.

 

 

Wer kennt sie nicht: „Michael Kohlhaas“, die wohl berühmteste Novelle von Heinrich von Kleist. Am Montag, den 06. Februar 2023 stellen sich also die bis heute zeitlosen Fragen nach Schuld, Recht, Individuum und Gesellschaft. Kleist erzählt von den Mechanismen des Fanatismus und der Verselbständigung von Gewalt. Themen, die heute fast noch bedeutsamer sind als damals …

 

 

Ein packendes Kammerspiel um sexuelle Gewalt und den Umgang mit sozialen Medien gibt es am Montag, den 27. März 2023 in der Stadthalle zu sehen, wenn James Fritz Schauspiel „4min 12sek“ zur Aufführung kommt. Was ist wirklich passiert? Gibt es mehrere Wahrheiten? Offenbaren die sozialen Medien geschehenes Unrecht oder Halbwahrheiten? Ein hochaktuelles Theaterstück über die Ambivalenz der modernen Medien und die Fragwürdigkeit medialer Macht.

 

 

Den Abschluss der Spielzeit bildet am 08.05.2023 die Komödie „Trennung frei Haus“ von Tristan Petitgerard. Eine Liebesbeziehung zu beenden ist niemals schön, also warum nicht jemanden dafür bezahlen, der es für einen erledigt? Ein ausgeklügelter Plot, entwaffnende Situationskomik und eine gekonnte Dialogführung zeichnen diese Komödie aus.

 

 

Vorfreude ist also angesichts des facettenreichen Programms berechtigt, im Sinne von Johann Wolfgang von Goethes Faust-Zitat über die Wirkung und Möglichkeiten des Theaters: „So schreitet in dem engen Bretterhaus, den ganzen Kreis der Schöpfung aus. Und wandelt, mit bedächtger Schnelle, vom Himmel durch die Welt zur Hölle!“ 

 

Stefan Voll

 

 

 

Szenenbild aus George Orwells vermeintlicher Zukunftsvision „1984“ aus der Spielzeit 2021/22